Rückeroberung alter Lebensräume Teil II- Der Biber an der Isar

1867 war Schluss

Europäische Biber (Castor fiber)
Europäische Biber (Castor fiber)

Ursprünglich war das zweitgrößte Nagetier der Welt in fast ganz Europa vertreten. In Bayern war er an jedem geeigneten Gewässer bis hinauf in die höheren Lagen der Mittelgebirge und der Alpen anzutreffen. 1867 war Schluss damit – der letzte heimische Biber war erfolgreich erlegt. Europaweit ging es den Tieren nicht besser: Um 1900 hatten nur maximal 2.000 Biber überlebt; in Norwegen, Frankreich, Polen, Russland – und eine kleine Gruppe an der mittleren Elbe.
Biber waren Jahrhunderte lang äußerst beliebtes Jagdwild. Der dichte Pelz, das nahrhafte Fleisch und vor allem das Castoreum weckten Begehrlichkeiten. Bibergeil, so der landläufige Name, enthält in geringen Spuren Salicylsäure. Es galt als Wunderheilmittel in der damaligen Medizin, sodass es zeitweise in Gold aufgewogen wurde. Grund genug, auch noch dem letzten Biber final nachzustellen.

Biber, Dachs, Otter – alles genug

schwimmender Europäische Biber (Castor fiber)
Biber sind nicht besonders scheu – aus sicherer Entfernung wird der komische zweibeinige Kerl am Ufer genau beobachtet – minutenlang

Paradox und vernichtend: Die katholische Kirche erklärte auf dem Konstanzer Konzil den Biber wegen seines beschuppten Schwanzes und der amphibischen Lebensweise mal so eben zum Fisch.

Der Jesuitenpater Charlevoix sagte noch 1754 Bezüglich des Schwanzes ist er ganz Fisch, und er ist als solcher gerichtlich erklärt durch die medizinische Fakultät in Paris, und im Nachklang dieser Erklärung hat die Theologische Fakultät entschieden, dass das Fleisch während der Fastenzeit gegessen werden darf. „Wie gut, dass der Pater dem Zölibat unterlag – es liegt der Verdacht nahe, dass er versucht hätte, seinen eigenen Nachwuchs auszubrüten. So wie ein Schwan – 32 Tage lang…“

Besonders fatal an der Entscheidung: Genau während der Fastenmonate vor Ostern ist das Biberweibchen trächtig. Der Biber ist eine der wenigen Tierarten, bei denen nicht die Zerstörung seiner Lebensräume, sondern die ungebremste Jagd zur beinahe Ausrottung geführt hätte.

Come back nach 100 Jahren

Europäische Biber (Castor fiber)
Der dämmerungsaktive Biber im letzten Sonnenlicht

1966 wurden in Deutschland die ersten Biber durch den Bund Naturschutz ausgewildert. Bis 1982 bezogen etwa 120 Tiere ihre neuen Reviere. In Bayern an Donau, Isar und Inn, am Ammersee und im Nürnberger Reichswald. Andere Länder hatten bereits eher Erfahrungen bei der Wiederansiedlung des Bibers gesammelt. Nachdem zunächst die verbliebenen Reliktpopulationen unter Schutz gestellt wurden, begann die Wiedereinbürgerung in Russland und Lettland bereits ab den 1930er Jahren.

Der Gesamtbestand beläuft sich derzeit auf geschätzt auf etwa 1 Mio. Tiere in Europa. Davon leben ca. 40.000 Exemplare in Deutschland. Allein in Bayern gibt es momentan mehr als 6.000 besetzte Reviere. Diese relativ hohe Zahl sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Biber immer noch zu den seltensten Tieren in Deutschland zählt.
Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit, mit der der Biber seine alten Lebensräume zurückerobert hat. In einer Studie zur Bestandssituation in Europa und Asien wurde im Jahr 2003 noch von maximal 10.000 in Deutschland lebenden Exemplaren berichtet.

Biberverhalten

Europäische Biber (Castor fiber)
Landgang!

Biber sind extrem territorial. Sie markieren ihr Revier mit Bibergeil. Die Reviergröße orientiert sich an der Uferlänge eines Gewässers. Bei gutem Nahrungsangebot umfasst es einen Abschnitt von ca. 2 km, in dem nie mehr als eine Familie lebt. Diese bestehen aus den Elterntieren – die ein Leben lang zusammenbleiben – und den Jungtieren der letzten beiden Jahre. Mit Erreichen der Geschlechtsreife, im dritten Jahr, werden die Jungtiere aus dem Familienverband verjagt. Das Vorkommen der dämmerungsaktiven Tiere auf einer bestimmten Fläche ist also streng begrenzt. Rivalen werden vehement vertrieben und dabei manchmal auch tödlich verletzt. Großgewachsene Tiere können bis zu 1,3 Meter lang werden – von Kopf bis zur Biberkelle, dem charakteristischen beschuppten Schwanz. Solche Biber wiegen über 30 Kilogramm. Der durchschnittliche Biber ist mit 18 Kilogramm aber deutlich leichter und auch wesentlich kleiner.

Europäische Biber (Castor fiber)

Der kanadische Verwandte

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Er ist in etwa 30% größer als sein europäischer Verwandter, aber im Wesen und Verhalten so ähnlich, dass manche Zoologen beide als Unterarten einer gemeinsamen Art betrachten. Genetisch besteht allerdings ein deutlicher Unterschied: Der kanadische Biber (Castor canadensis) verfügt über nur 40 Chromosomen, sein europäischer Verwandter (Castor fiber) dagegen über 48.

Auch in Nordamerika wurde bis in die 1930er Jahre auf den Biber ein immenser Jagddruck ausgeübt. Das Ergebnis war eine Bestandsgefährdung. Selbst in Kanada wurden die Tiere in einigen Regionen weitgehend ausgerottet, sodass die Art flächendeckend nur mithilfe einer Wiederansiedlung überleben konnte.

Doppelgänger

fressender europäische Biber (Castor fiber)

Wenn sich Autofahrer bei der Polizei melden, sie hätten einen Wildunfall mit einem „großen Hamster“ gehabt, dann ist es an der Zeit, eine kleine Bestimmungshilfe anzubieten:

BisamratteDie Bisamratte ist deutlich kleiner, der gesamte Körperbau ist kompakter, rundlicher und maximal 35cm groß. Sein Schwanz ist dünn wie ein Bindfaden.
NutriaEinen Nutria kann man an seinem extrem struppigen Fell leicht erkennen, außerdem ist er eher tagaktiv. Natürlich fehlt auch ihm die bibertypische Kelle.
FischotterDer Körperbau und das Verhalten des Fischotters ist gänzlich anders. Besondere Kennzeichen: Extrem neugierig und irgendwie immer hyperaktiv – aktiver als es der eher gemütliche Biber jemals sein könnte.

Brandstadl

Europäische Biber transportiert Baumaterial (Castor fiber)
Nahrungsmitteltransport

Das Kiesabbaugebiet Brandstadl bei Hallbergmoos erfreut sich bei Familie Biber als ein besonders attraktiver Wohnsitz. Die zum Teil bereits renaturierten Flächen gleichen zwischenzeitlich eher einem Altarm der nahen Isar, als einer Kiesgrube. Die Wahrscheinlichkeit, Biber hier beobachten zu können, ist erstaunlich hoch. Als gemeiner Homo sapiens muss man lediglich mit etwas Geduld und Naturverständnis ausgestattet sein.

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