Wolfsverhalten
Beim Durchstöbern älterer Aufnahmen ist mir aufgefallen, dass ich im Laufe der letzten Jahre viel Zeit mit dem Beobachten und Fotografieren von Wölfen verbracht habe. Über die Jahre hinweg ist eine Bilderserie entstanden, die viel über das Sozialverhalten der Tiere aussagt. Fast alle der folgenden Fotos sind im Wolfsgehege des Nationalparks „Bayerischer Wald“ oder im Wildpark Poing (östlich von München) zwischen 2005 und heute entstanden.
Aufnahmedaten: 03. Januar 2010, 13:37 Uhr; Nikon D200; AF-Nikkor 300 mm/2,8; Belichtungszeit 1/640sec; Blende 8; Empfindlichkeit ISO 400; Matrix-Messung, Einbeinstativ.
Wölfe nutzen ihre ausgeprägte Körpersprache, um Stimmungen oder der eigenen Stellung gegenüber anderen Mitgliedern des Rudels Ausdruck zu verleihen. Gemütszustände, die ein Wolf dadurch ausdrücken kann – sind neben freundlichen Gesten – Aggressivität, Drohen, Misstrauen, Angst oder Unterwürfigkeit.
Signale
Aufnahmedaten: 20. Februar 2012, 12:17 Uhr; Nikon D 200; Nikkor-AF 300 mm/2,8, Nikon 2x Extender, Brennweite 600 mm Belichtungszeit 1/320sec; Blende 8; Empfindlichkeit ISO 320.
Die nach vorne gerichteten Ohren signalisieren: „Ich bin aufmerksam und selbstbewusst!“ Dieser Wolf beobachtet die Geschehnisse in seinem Rudel, ohne dass er sich großartig einmischen möchte. Man kann davon ausgehen, dass es sich um ein ranghöheres Tier der Gruppe handelt. Der frische Urin-Fleck ist ein weiteres Signal: „Dieses Revier ist besetzt!“
Das Heulen der Wölfe ist ein Zeichen sozialer Verbundenheit und stärkt das
Zusammengehörigkeitsgefühl des Rudels. Es signalisiert gegenüber anderen Gruppen oder herumziehenden Einzeltieren die Ansprüche eines Rudels über sein Revier — der Vollmond hat mit diesem Verhalten eigentlich gar nichts zu tun. Weiterreichende Stimmlaute – die über ein Knurren oder Wimmern hinausgehen – bringt ein Wolf nicht zustande.
Für Wölfe ist das entscheidende Sinnesorgan ihr Geruchssinn. Dieser ist um ein Vielfaches präziser ausgeprägt als der eines Menschen. Ihre Augen dagegen sind deutlich unterentwickelt – Wölfe sehen ihre Umwelt nur äußerst verschwommen und unscharf. Wesentlich stärker verlassen sich Wölfe auf ihr Gehör. Sie können Geräusche bis zu einer Entfernung von 10 km ausmachen. Selbst im Schlaf ist die Geräuschwahrnehmung aktiv, um jederzeit Bewegungen von Beutetieren oder Gefahren auszumachen.
Rangordnung im Rudel
Auf diesem Bild sind zwei typische Verhaltensmuster von Wölfen zu erkennen. Auf der linken Bildhälfte liegt ein Wolf auf dem Rücken und signalisiert damit, dass er seinen niedrigeren Rang akzeptiert.
Die zwei Burschen rechts sind sich noch nicht einig, wer in Zukunft welche Rolle einnehmen soll. Zwar versucht das eine Tier den anderen zu Boden zu drücken. Dessen Schwanz- und Ohrenhaltung lässt den eindeutigen Schluss zu, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
Wölfe regeln Machtkämpfe meist mit Hilfe von eindeutiger Körpersprache oder Drohgebärden – wobei sich hier der linke Wolf klar überlegen fühlt. Wenn keiner von beiden nachgeben will, folgt häufig eine kurze, aber wilde Rauferei. Bleibenden Schäden werden dadurch nicht verursacht. Nur selten kommt es zu ernsthaften Kämpfen.
In diesem Falle half kein Drohen und Zähne fletschen. Beide Wölfe belauerten sich und signalisierten klar: Ich bin der Stärkere! Wenn ein Wolf imponieren will, stellt er den Schwanz selbstbewusst in die Höhe. Die Schwanzhaltung zeigt auch die Rangordnung im Rudel an. Je höher die Rute getragen wird, desto ranghöher ist das Tier.
Eine solche Szene ist nicht untypisch für Wölfe, die in einem Gehege gehalten werden. Eine Rangordnung, in der die Positionen innerhalb einer Gruppe festgelegt sind, müssen die Tiere erst „erarbeiten“, da sie nicht – aufgrund von Familienbanden – gewachsen sind.
In frei lebenden Familienverbänden ist die Rangordnung natürlich vorgegeben. Die Eltern werden als natürliche Autoritäten von den Jungen respektiert.
Früher sah man ein Wolfsrudel als eine Gruppe, die von einem dominanten Tier, also einem Leitwolf, geführt wurde. Heute geht man davon aus, dass die meisten Wolfsrudel einfach autoritär organisierte Familien sind. Die Kategorien Alpha-Beta- und Omega-Wolf verlieren somit an Bedeutung. Sie war geprägt durch Beobachtungen an gefangenen Wölfen, die außerhalb der natürlichen Familienordnung zusammenlebten.
Den anderen Mitgliedern des Rudels ist die Situation nicht geheuer. Sie halten erheblichen Abstand zu den beiden Raufbolden. Ihre Körperhaltung signalisiert, dass sie nicht in das Geschehen hineingezogen werden möchten.
Der Verlierer des Kampfes verlässt den Ort des Geschehens mit eingezogenem Schwanz. Für heute hat er genug und akzeptiert seine Niederlage. Seine Stellung im Rudel hat sich dadurch nicht verbessert.
Ein klassisches Verhaltensmuster: Das drohende Tier rümpft die Nase, öffnet das Maul, beleckt die Zähne.
Futterneid
Sofort fängt es an zu fressen und reißt große Stücke aus dem Fleisch. Seiner Körperhaltung ist deutlich die Angst anzusehen, dass er von einem höher stehenden Tier der Gruppe vertrieben und für sein Verhalten bestraft wird.
Gierig schlingt es in kürzester Zeit möglichst viel in sich hinein. Die Rangfolge im Rudel ist zweifelsfrei verletzt – doch Hunger und Gier sind stärker.
Kurze Zeit später erscheint ein höherstehender Rüde der Gruppe. Er legte ein ganz anderes Verhaltensmuster an den Tag. Von Gier und Hast keine Spur. Er trägt die „Beute“ völlig unbehelligt an einen Ort, der ihm besser geeignet erscheint. Kein anderes Mitglied des Rudels wagt sich in seine Nähe.
Hasenjagd
Aufahmedaten: 12. April 2007, 20:01 bis 20:04 Uhr; Nikon D200; AF Nikkor 80-200 mm; Blende 2,8 Belichungszeit 1/60sec; Empfindlichkeit ISO 1600; Einbeinstativ.
Aus welchem Grund auch immer hatte sich ein Hase in das Gehege im Nationalpark Bayerischer Wald verirrt. Bei den Wölfen erwachte sofort der angeborene Jagdinstinkt . Das Rudel machte kurzen Hasen-Prozess. Als wir zu der Szene dazu kamen, war es um Meister Lampe bereits geschehen.
Das Reißen der Beute schien den Wölfen keine größere Schwierigkeit bereitet zu haben. Beim Verteilen der Beute kam es zu größeren Rangeleien und einem wilden Tohuwabohu – jedes Tier wollte sofort seinen Anteil. Wiedereinmal wurde deutlich, dass das Rudel keine natürliche Rangordnung besaß.
Jahrhunderte lang war der Wolf neben dem Menschen das am weitesten verbreitete Säugetier, er besiedelte große Teile der gesamten Nordhalbkugel unserer Erde. Heute ist sein Vorkommen auf ca. 30 % der ehemaligen Gebiete eingeschränkt. Die Gründe dafür sind vielseitig und ausreichend bekannt.
Wölfe in Deutschland
In Deutschland wurde der „wilde“ Wolf vor ca. 150 Jahren weitestgehend ausgerottet. Seit den 1990 Jahren wird er wieder regelmäßig beobachtet. Am Anfang handelte es sich um einzelne Vertreter, die von Osten kommend bei uns einwanderten. Im Jahr 2000 wurden erstmals wieder Wolfswelpen von einer in Freiheit lebenden Wölfin in Deutschland geboren.
Anfang 2012 lebten in der Lausitz in Sachsen und Brandenburg elf Rudel und ein Wolfspaar. Weitere Wolfspaare oder stationäre Einzeltiere wurden in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und in Niedersachsen nachgewiesen. Ob die in Hessen und Bayern festgestellten Einzeltiere noch anwesend sind, oder ob es sich um sogenannte „Durchzieher“ aus anderen Gebieten handelt, ist unklar.
In Deutschland kann man zurzeit davon ausgehen, dass es einen Bestand von 50 bis 60 frei lebenden Wölfen gibt (Stand 2028). Mit der wachsenden Gesamtpopulation und seiner langsamen Ausbreitung nach Westen ist davon auszugehen, dass der Wolf in Deutschland wieder dauerhaft ansässig wird. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass der Schutz der Tiere nahezu bedingungslos fortgesetzt wird.
Ein Kommentar
Projekt Schminkumstellung
Was für tolle Aufnahmen! Ich finde Wölfe sehr faszinierend und finde gut, dass es sie wieder in Deutschland gibt.
Liebe Grüße (: