Von Überfliegern und langen Brennweiten
Überflieger – Vögel im freien Flug
In den meisten Fällen beträgt die Entfernung zwischen Kamera und dem Vogel deutlich mehr als 100 m. Der Ausschuss an schlechten Bildern ist erheblich. Der Aufwand, der in der Kameraausrüstung steckt, ist immens (und somit auch der Griff in den Geldbeutel). Leider zeigt sich: Wer am meisten investiert hat, besitzt die besseren technischen Voraussetzungen und somit deutlich mehr Möglichkeiten, um zum gewünschten Erfolg zu kommen.
Darüber hinaus gibt es noch etliche „Kleinigkeiten“, die geschickt angewendet die vorhandene Ausrüstung optimieren, ohne dass das Loch im Geldbeutel noch größer wird.
Technik ist nicht alles, die Erfahrung macht den Unterschied
Die interessantesten Situationen entwickeln sich meistens ohne weitere Vorankündigung und sind nur bedingt vorhersehbar. Der Fotograf braucht viel Erfahrung und Verständnis für das Verhalten der Tiere, um den richtigen Moment zu erahnen. Die perfekte Beherrschung der Kameraausrüstung ist dabei eine Grundvoraussetzung.
Also: Übung macht den Meister! Für die ersten Versuche gilt, ab in den nächstgelegenen Zoo oder Tierpark und dann los …
Vorbeifliegende Schwäne gehören noch zu den einfacheren Motiven. Sie sind häufig in Parks und innerstädtischen Grünanlagen anzutreffen. Ihre Körpermaße (Gewicht ca. 10 kg, Spannweite bis 160 cm) sind erheblich, die Flugbahn lässt sich leicht erahnen. Das Fluchtverhalten gegenüber Menschen ist nicht besonders ausgeprägt.
Bei Greifvögeln gestaltet sich die Aufgabe bereits deutlich schwieriger. Die Tiere nutzten die Thermik um in große Höhen aufzusteigBei Greifvögeln gestaltet sich die Aufgabe bereits deutlich schwieriger. Die Tiere nutzten die Thermik, um in große Höhen aufzusteigen und damit ein größeres Gebiet nach möglicher Nahrung zu überblicken. Die Vögel verlassen die Höhe nur, wenn sie etwas Interessantes entdeckt haben. Gerne stoßen sie mit der Sonne im Rücken vom Himmel herunter. Ein Beutetier kann den Greifvogel dann erst in letzter Sekunde sehen und wird durch den Angriff überrascht. Für den Fotografen bedeutet das, er hat häufig mit schwierigen Gegenlichtsituationen zu kämpfen.
Also: Der Hintergrund (Himmel) ist im Gegensatz zum Vogel deutlich heller. Damit das Gefieder des Tieres voll „durchgezeichnet“ ist (jedes Detail ist zu erkennen), muss eine Belichtungskorrektur vorgenommen werden. Erfahrungswert: + 2/3 bis 1 Blendenstufe.
Die Aufnahmetechnik ist in den meisten Fällen vergleichbar. Digitale SLR, langbrennweitiges Teleobjektiv, Belichtungszeit zwischen 1/250sec und 1/4000sec; Blende 4- 16; Empfindlichkeit 200-800 ISO; Dreibeinstativ mit speziellen Gimbal-Kameraneiger, alternativ Einbeinstativ oder der Bohnensack als Auflage.
Je so länger die Brennweite, desto besser die Ergebnisse!
Stimmt leider! Die wirklich interessanten Situationen finden in der Regel in einer größeren Entfernung statt. Extrem lange Brennweiten, gepaart mit hoher Lichtstärke – das Ganze an einer Kamera, dessen Sensorauflösung noch eine Ausschnittvergrößerung zulässt und die Möglichkeiten an besondere Motive zu kommen wächst deutlich.
Objektive mit 300 mm Brennweite eignen sich perfekt für Aufnahmen im Tierpark oder Zoo. Die Vergrößerung ist stark genug, um die Motivdistanz zu überbrücken. Mit „offener Blende“ fotografiert, lassen sich störende Bildelemente (z.B. der Zaum des Geheges) „ausblenden“.
Für Aufnahmen in freier Natur sind 300 mm in den meisten Fällen deutlich zu wenig — unter 500 oder 600 mm wird es schwierig, trotz des Crop-Faktor (= verlängert die Brennweite um einen Faktor 1,5 oder 1,6) moderner Kameras. In den meisten Fällen ist die „Motivdistanz“ (Entfernung Kamera –> Vogel) ein mehrfaches gegenüber derer in einem Zoo oder Tierpark.
Die folgende Tabelle verdeutlicht das Zahlenspiel:
Nenn- Brennweite | Vergrößerung | Crop x 1,5 | Vergrößerung | Singvögel | Buntspecht, Taube | Hase, Fasan | Graureiher, Kranich | Löwe, Antilopen |
300 mm | 6 -fach | 450mm | 9 – fach | 3m | 7m | 12m | 20m | 35m |
400 mm | 8 -fach | 600mm | 12 -fach | 4m | 9,3m | 16m | 27m | 47m |
500 mm | 10 -fach | 750mm | 15 -fach | 5m | 12m | 20m | 33m | 58m |
600 mm | 12 -fach | 900mm | 18 -fach | 6m | 14m | 24m | 40m | 70m |
Im ersten Teil der Tabelle werden Brennweite und Vergrößerungsfaktor gegenübergestellt. Im zweiten Teil wird die Motivdistanz (bei einer vollformatigen Abbildung des Tieres) in das Verhältnis zur Brennweite gesetzt. Zusammengefasst: Welche Brennweite benötigt man, um die Entfernung zu einem Motiv zu überbrücken.
Telekonverter
Wenn man es geschickt anfängt, können Telekonverter eine preiswerte Lösung sein. Der Leistungsumfang der eigenen Objektivpalette wird erheblich vergrößert! Aber, wie schon gesagt, nur wenn man es richtig macht.
Telekonverter können auch Teufelszeug sein, die mehr kaputt machen, als sie einbringen. Zu diesem Thema gibt es sehr viel zu sagen, sodass sich ein eigener Beitrag dazu lohnt.
Kostet fast nix – verbessert die Aufnahmequalität aber erheblich!
Auf Reisen, ohne Inhalt – nur die äussere Hülle verpackt irgendwo im Kamerarucksack. Vor Ort befüllt mit Sand, Bohnen, Spirali-Nudeln (Geheimtipp!) oder was auch immer gerade zur Verfügung steht.
Eine geeignete Auflage für den Bohnensack findet sich fast an jedem Ort. Autodach, Zaunpfosten, Treppen- oder Brüstungsgeländer, Mauervorsprung oder -nische; irgendetwas ist immer in der Nähe. Mit keinem anderen Hilfsmittel gelingt es besser, die Kamera vor unerwünschten Vibrationen (= Verwacklungsunschärfe) zu schützen. In Kombination mit einem Fernauslöser perfekt für lange Belichtungszeiten oder Aufnahmen mit dem Telekonverter.
Schau mir in die Augen, Kleines!
Auf Augenhöhe arbeiten! Eine der wichtigsten Gestaltungsregeln in der Fotografie. Sie gilt in der Tierfotografie genauso unangefochten wie beim klassischen Porträt. Bildwirkung und -aussage verstärken sich um ein Vielfaches, wenn Fotograf und Motiv vermeintlich direkten Blickkontakt hatten.
Die Grafik soll es verdeutlichen: Wähle Deine Aufnahmeperspektive so, dass du deinem Gegenüber in die Augen schauen kannst (… In vielen Fällen muss man dazu nur in die Knie gehen).
Musterbeispiel: Augenhöhe, Blickrichtung; Bildaufbau, Perspektive (Kameraposition / Brennweite) und Tiefenschärfe sind genau aufeinander abgestimmt. Das Motiv selbst ist „nur“ eine banale Stockente – trotzdem „hat“ die Aufnahme etwas Besonderes.
Eine der wenigen Tieraufnahmen, die aus „freier Hand“ – also ohne stabilisierende Auflage oder befestigt auf einem Stativ – entstanden sind. Die Belichtungszeit betrug 1/2000sec (um jegliche Verwacklungsunschärfe zu vermeiden). Als Ausgleich musste ich die Blende „vollständig öffnen“ und somit auf Tiefenschärfe verzichten.
Kurze oder lange Verschlusszeit?
Dass man schnelle Bewegungen nur mit sehr kurzen Verschlusszeiten „einfrieren“ kann, ist eine bekannte Binsenweisheit! Die Bildwirkung ist eher statisch-abstrakt. Losgelöst vom natürlichen Umfeld zeigen sich Details, die in Echtzeit nicht wahrnehmbar sind.
Die Problemstellung (schnelle Bewegung) verstärkt sich hier um zwei weitere Faktoren:
a) Abbildungsmaßstab — um so größer das Motiv abgebildet wird, um so höher ist die „relative“ Bewegungsgeschwindigkeit.
b) Bewegungsrichtung — horizontal/vertikale Bewegungen sind „schneller“, als Bewegungen, die parallel zur optischen Achse verlaufen.
Mitzieher
Mitzieher; Belichtungszeit 1/250sec, Blende 8, ISO 200: Die Kamera verfolgt das Motiv, sie wird „mitgezogen“, das Tier wird knack scharf – der Hintergrund verliert an Schärfe (aufspritzendes Wasser). Durch die unterschiedlichen Schärfenebenen erhält das Bild eine eigene Dynamik.