Mobil-Panoramafotografie neu definiert

Die klassische analoge Panoramafotografie war ein kostspieliges und aufwendiges Unterfangen gewesen. Spezialkameras von Linhof, RoundShot oder ArcaSwiss waren nicht gerade ein Sonderangebot. Die bezahlbare, aber technisch anfällige russische Horizon hat in den meisten Fällen mehr versprochen als gehalten. Dazu kam der immense Aufwand. Ohne Stativ, Drahtauslöser, Wasserwaage etc. brauchte man gar nicht erst zu beginnen.

Ergebnis: Die Aufnahmen wirkten in der Regel zwar beeindruckend, aber immer etwas statisch-langweilig …

Und dann kam das Smartphone …

Lissabon: Ponte 25 de Abril

Ungünstiger konnte die Situation auf dem Tejo vor Lissabon nicht mehr sein: offener Katamaran, unruhiges Wasser, kräftiger Westwind, abwechselnd Regenschauer und Sonnenschein. Das Boot vollführte einen lebhaften Tanz in der Dünung. Eine ständig wechselnde Situation.

Trotzdem lockte das Motiv. Die „Brücke des 25. April“ mit Regenbogen und blauem Himmel. Viel Zeit war nicht! Handy raus, Panoramafunktion ein, sicheren Stand gesucht, die wichtigsten Regeln beachtet und los! Die Herausforderung: Einen Schwenk von mehr als 130° trotz der Eigenbewegung des Bootes so gleichmäßig wie möglich „durchzuziehen“

…Panorama geknipst?

Island: Wasser, Berg; Sonne Apple iPhone 6, ca. 130° Blickwinkel, Belichtungs- und Kontrastkorrektur Adobe Photoshop CC2017

Locker und flockig lässt sich mit dem Ding von jedermann ein Panorama aus der freien Hand zaubern – mal so eben, ganz selbstverständlich. Ohne großen Aufwand, allerdings sollte man sich davor hüten, dass der Fotograf vergisst, über sein Handeln wirklich nachzudenken. Handy-Fotografie kann zur Seuche werden. Ohne nachzudenken wird alles geknipst, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und sich hinter dem Stamm versteckt …

Das Ziel lautet für mich: Wie schaffe ich es, die unbeschwerte Spontanität, mit meinem fotografischen Blick und einem technisch gehobenen Anspruch zu verbinden?

Know-how – oder, der den Dreh raus hat …

Mobil-Panoramen! - Panoramafotografie neu definiert
Usedom im August; kleiner Aufwand – nach 10 Minuten waren eine Handvoll Varianten des menschenleeren Strandes entstanden.

Im Großen und Ganzen unterstützt ein modernes Smartphone den Fotografen in technischer Hinsicht weitgehend perfekt.

Das Wichtigste ist ein ruhiger Schwenk um den „relevanten Drehpunkt“. Für die Praxis heißt das, man schwenkt das Smartphone so, dass die Linse des Objektives eine saubere Kreisbahn bildet. Mit anderen Worten: Das Smartphone muss eng um den Mittelpunkt des Objektives rotieren – man dreht das Handy also auf der Stelle. Ein Schwenk am ausgestreckten Arm ist eigentlich verkehrt, da die Abbildungsebenen, der vielen Einzelaufnahmen, die zu einem Panorama zusammengesetzt werden, auseinanderlaufen. Das Ergebnis ist eine Aufnahme, bei der der Horizont „wegkippt“.

Wer mehr über den physikalischen Hintergrund erfahren möchte, dem empfehle ich den Wikipedia-Eintrag Knotenpunkt. Richtig schlecht an dem Beitrag, ist das animierte Video, dass einen Knoten- oder Nodalpunktadapter mit aufgesetzter Kamera zeigt. Das Konstrukt ist einfach nicht praxistauglich, sondern nur als theoretisches Modell zu werten…. Jedem Praktiker springen die Mängel förmlich ins Auge.

Keine Angst vor Menschen!

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Streetfood in Lissabon: „Time Out Market Lisboa“

Mit etwas Übung kann man problemlos Personen in die Gestaltung eines Panoramas einbeziehen. Bewegung ist kein Ausschlusskriterium – nur hektisches „herumhampeln“ zerstört das Ergebnis.

Erst denken – dann schwenken

… und zwar mehrmals. Spontan-Panoramen gelingen in der Regel nicht beim ersten Versuch. Wenn ich ein Motiv für mich erkannt habe, dann schwenke ich im ersten Durchlauf die Kamera einfach nur so. Als Trockenübungen – erstmal nur die ruckfreie und gleichmäßige Bewegung optimieren. Gleichzeitig nähere ich mich dabei der optimalen Horizont-Postion an. Der vertikale Aufnahmewinkel entscheidet extrem über Perspektive und Dynamik.

Dann geht’s los: Schwenkrichtung, Schärfenpunkt und Belichtung festlegen … und ab die Post –  mehrfach! Mindestens drei oder vier Durchläufe hintereinander. Gerade aus freier Hand lieber einmal eine Variante mehr „panoramariert“ als eine zu wenig. Oftmals ist trotz aller Vorbereitung am Ende nur ein richtig gutes Ergebnis dabei.

Nachbearbeitung

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Islands unendliche Energiereserve – vulkanheißes Wasser

Ja bitte! Die Qualität der Bilddaten lässt sich im Nachhinein deutlich verbessern.

Erstaunlich ist, welcher „Spielraum“ im originalen JPEG einer Handyaufnahme steckt. Kontrast, Tonwerte und Schärfe können deutlich verbessert werden! Des Weiteren korrigiere ich zum Teil unnatürlich wirkende Verzerrungen aus und setzte einen präziseren Bildausschnitt. Meistens „überziehe ich das Panorama während der Aufnahme etwas. Das heißt, ich wähle bewusst einen größeren Schwenkradius und begrenze erst im Rahmen der Nachbearbeitung den eigentlichen Start- und Endpunkt des Panoramas.

Mobilpanorama als Kunstrichtung der 2020er?

Das könnte was werden! In den 1980er Jahren war das SX-70 Material von Polaroid wegen seines besonderen Flairs bei vielen Künstlern angesagt. Etliche Werke haben es bis in die internationale Kunstszene geschafft und gehören heute mit zu den am höchsten dotierten Fotografien.

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Grainau in Oberbayern: Der Eibsee
Eine ca. 200 Jahre alte Eichenallee bei Seefeld am Ammersee

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