Libellentanz, Bildgestaltung und Schärfentiefe
Ganz nebenbei lassen sich anhand dieser Bilder die wichtigsten fotografische Gestaltungsregeln erklären. Das Bild der Vier-Fleck-Libelle lebt von seiner geometrischen Flächenverteilung sowie dem hohen Moitvkontrast, dadurch kommt die Transparenz der Netzflügel im leichten Gegenlicht besonders gut zur Geltung.
Wir Libellen
Hüpfen in die Kreuz und Quer,
Auf den Quellen
Und den Bächen hin und her.
Schwirrend schweben
Wir dahin im Sonnenglanz:
Unser Leben
Ist ein einz’ger Reigentanz.
Wir ernähren
Uns am Strahl des Sonnenlichts,
Und begehren,
Wünschen, hoffen weiter nichts
Mit dem Morgen
Traten wir ins Leben ein;
Ohne Sorgen
Schlafen wir am Abend ein.
Heute flirren
Wir in Freud‘ und Sonnenglanz;
Morgen schwirren
Andre hier im Reigentanz.
Auch die Anforderungen an die technische Ausstattung sind überschaubar: Systemkamera, Makro-Objektiv und ggf. ein Ringblitzgerät sind völlig ausreichend. Der Fotograf sollte viel know-how über die Gesetzmäßigkeiten der Tiefenschärfe besitzen. Wichtig ist, dass er die Aufnahmesituationen sehr genau einschätzen kann. Mit Welche Verschlusszeit ist ein fotografieren aus freier Hand noch möglich.
Der Stabilisator ist die innovativste Entwicklung im Objektivbau der letzten 15 Jahre. Dieses Hilfsmittel erlaubt es mit Verschlusszeiten aus freier Hand zu arbeiten, die ohne Stabi unmöglich waren. Der Gewinn liegt zwischen 2 und 3 Zeitstufen. Ein Zuwachs der sich in kleinere Blenden und somit in mehr Schärfentiefe deutlich bemerkbar macht.
Exuvien findet man häufig noch Tage späten an Uferpflanzen hängen, obwohl das eigentliche Insekt schon längst geschlüpft und verschwunden ist.
Diese Bild ist ein gutes Beispiel über den bewussten Umgang mit der Schärfenebene und der Schärfen-Dehnung in die Tiefe durch abblenden. Die Libellenhülle hatte eine Länge von ca. 4 cm. Die Schärfentiefe beträgt beim Abbildungsmaßstab 1:2 / Blende 8 in etwa 3 mm. Das heißt, die Schärfe wächst um die Ebene, auf die fokussiert wurde, um je 1,5mm in beide Richtungen.
Aus diesem Grund habe ich die Schärfenebene so gewählt, dass sie eine Linie von den Augen zu den Vorderbeinen der Hülle beschreibt. Das die Flügeldecken und der Hinterbau immer mehr in die Unschärfe fallen, habe ich bewusst in kauf genommen.
Bildgestaltung in der Fotografie beruht hauptsächlich auf den Primär-Elementen Perspektive, Linienführung, Flächenverteilung, Farb-/Motivkontrast (Lichtführung) sowie Schärfe und Unschärfe.
Emotionen verstärken die Bildwirkung erheblich. Sie verraten viel über die Aussage die in einem Foto steckt. Zur klassischen Gestaltungslehre zählen wiedergegebene Emotionen dennoch nicht, da sie sich nicht klaren grafischen Elementen zuordnen lassen. Im Gegenteil bewusste Bildgestaltung wird beim Betrachter direkt Emotionen wecken.
Sehr häufig ist es bei Landschaftsaufnahmen die Horizontlinie, die Erde und Himmel voneinander trennt, die instinktiv auf den goldenen Schnitt „gelegt“ wird. Der Mensch empfindet diese Flächenverhältnis, in Verbindung mit einer Aufnahme im Querformat als natürlich und vertraut (dafür manchmal auch als langweilig). In diesem Bildbeispiel ist es der Hinterleib und die angelegten Flügel des auf der Pflanze ruhenden weiblichen Binsenjungfer. Die Körperhaltung des Tieres empfinden wir als etwas akrobatisches, dadurch steigt die Spannung bei der Wahrnehmung des Bildes.
Das sich im Wasser reflektierende Sonnenlicht beleuchtet die Unterseite des Körpers stärker als die Oberseite. Es entsteht eine Beleuchtungssituation die wir als mystisch und unnahbar empfinden. Das „über-diagonal“ verlaufende Schilfrohr auf dem die Königslibelle sich zur Eiablage niedergelassen hat unterstützt den Bildeindruck weiter, da es nicht direkt in unser natürliches Sehverhalten passt. Das statische Höhenseitenverhältnis 1:1 des Bildformates steht im Widerspruch zum sonstigen Bildaufbau und unterstützt somit den Spannungsbogen noch weiter.
Das Bild ist so aufgebaut, dass alle Blicke auf einen zentralen Punkt geleitet werden. Es gibt keine „Nebenschauplätze“ an den der Betrachter etwas spannendes entdecken könnte. Unterstützt wird die Bildwirkung dadurch, dass die Libelle am äußersten Ende eines Blattes, vergleichbar mit einer Pfeilspitze, sitzt. Das Gegenlicht erzeugt den benötigten Motivkontrast, so dass sich das Insekt deutlich vom Hintergrund abhebt.
Dreiecks-Komposition: Das geknickte Schilfrohr bildet ein Dreieck, dass bei der ersten Betrachtung den Blick sofort auf sich zieht. Alle Blicke sind auf das Schilfrohr fixiert! Die Libelle selber bemerkt man erst beim genaueren hinsehen. Das hellere Grün, einer sich in der Unschärfe befindenden Pflanze, wirkt wie eine besonderer Beleuchtungseffekt der direkt auf die Libelle zeigt. Die Aussage „Beachte die Libelle“ wird damit nochmals verstärkt.
Die Wahl des Höhen-Seitenverhältnis eines Bildes fließt stark in die Gestaltung der Aufnahme ein. Es ist mit verantwortlich für Spannung und Akzeptanz die entsteht, wenn ein Betrachter sich erstmalig einem Bild nähert und es wahrnimmt.Das Querformat im Verhältnis 2:3 kommt uns auf Anhieb am vertrautesten vor. Es entspricht weitgehend der natürlichen Sehweise eines Menschen. Die meisten Fotografen lassen ihre Bilder mehr oder weniger automatisch-unüberlegt in diesem Format entstehen.
Ein extremes Querformat (1:2 bis 1:10) führt automatisch dazu, dass es der Betrachter in mit einem Panorama in Verbindung bringt (zum Beispiel der schweifende Blick von einem Aussichtspunkt auf das gegenüberliegende Bergmassiv). Nachteilig ist, die deutliche Detailarmut die diese Bildformat mitbringt. Das Motiv wirkt in den meisten Fällen sehr weit entfernt, die „Betrachtungsdistanz“ (eine virtuelle, kaum messbare Größe) entfernt den Betrachter von der Aufnahme. In der Makrofotografie ein eher geltendes, da ungeeignetes Bildformat. Das Verhältnis zwischen interessanten und unwichtigen Bildpartien gerät verhältnismäßig leicht in ein Ungleichgewicht.
Die leuchtend blaue Farbe des männlichen Blaupfeils entsteht durch Wachsablagerungen am Hinterleib und sind ein Signal für die Geschlechtsreife des Insektes.